Wein aus dem hohen Norden - Deutschlands nördlichste Weinberge


Der Weinbau in Deutschland konzentriert sich bekanntlich in Deutschlands Süd-Westen, rund um die Flüsse Rhein, Mosel, Ahr und Nahe. Aber auch im Osten Deutschland gibt es hervorragende Rebflächen. Relativ unbekannt ist jedoch, dass es sogar hoch im Norden Deutschlands Rebflächen gibt, von dessen Trauben gar beachtliche Weine erzeugt werden.
Winzer muss oder darf sich derjenige nennen, der mehr als einhundert Weinstöcke angepflanzt hat. Aber dieser magischen Grenze gibt es gewisse, vor allem strikte, Regeln zu beachten und es greift das deutsche Weingesetz. Würde man diese einhundert Weinstöcke nun zudem auch noch außerhalb der anerkannten Weinanbaugebiete bewirtschaften, ja dann hätte man ein echtes Problem! Daher halten es die meisten Hobbywinzer so, dass sie 99 Rebstöcke besitzen. Einer von Ihnen ist Peter Noack, welcher im Seebad Loddin auf der Ferieninsel Usedom in der Ostsee seinen eigenen Weinberg bewirtschaftet. Die Ergebnisse seines Handwerks darf er nicht in den freien Verkauf bringen, der freie Ausschank und Schenkungen an Gäste und Freunde sind jedoch gestattet. Und somit freuen sich die Besucher seines Ausflugslokal jedes Jahr auf ein gutes Glas seines „Loddiner Abendbrot“, einen kräftigen trockenen Rotwein. Rund 90 Flaschen gibt es lediglich jedes Jahr, eine begrenzet Menge, obwohl die Rebstöcke hier rund 5kg Trauben hervorbringen. In DDR Zeiten hatten viele Menschen eigene kleine Weinberge, für den Eigenverbrauch. Noack lässt seinen Wein bei einem Winzer aus Sponheim an der Nahe ausbauen. So ist der Weinbau, wie viele andere Landwirtschaften, in Deutschland eigentlich fast überall zu Hause. Vielerorts sind Straßenname wie „Am Weinberg“ o.ä. noch stumme Zeugen dieser Zeiten. 
Auch auf der Nordseeseite wird neuerdings Weinbau betrieben. So gibt es Deutschlands anderen, jetzt aber wirklich „nördlichsten Weinberg“ auf der beliebten Nordseeinsel Sylt. Hier hat der findige Winzer und Geschäftsmann Christian Ress vom Weingut Balthasar Ress aus Hattenheim im Rheingau, auf rund 3000 Quadratmetern Reben anpflanzen lassen. Vom Landwirtschaftsministerium Schleswig-Holstein erhielt Ress den Zuschlag, das Grundstück in der Gemeinde Keitum zu bepflanzen. Von der Forschungsanstalt Geisenheim, die älteste deutsche Weinforschungsanstalt, erhielt er nach einer eingehenden Untersuchung der Weinberge die Bestätigung, dass die Fläche sich gut zum Weinanbau eigne. Die Fläche wurde daher mit rund 1600 Rebstöcken bestockt, zum Teil Rivaner, welche sonst auch als Müller-Thurgau bekannt ist, sowie die eher unbekannte Neuzüchtung Solaris, welche besonders für kühle Anbaugebiete geeignet ist und frische Weißweine hervorbringt. Solaris gibt es erst seit 1975 und weißt über sein angenehmes Aroma auch die angenehme Eigenschaft auf, dass sie gegen viele Pilzarten widerstandsfähig ist. Die erste Ernte fand im Jahr 2012 statt, der Wein mit dem Namen “55° Nord - Solaris/Rivaner“, abgeleitet von den Koordinaten der Weinberge, kommt jedoch erst im Jahr 2014 nach genügender Reife Dauer in den Handel. Interessenten können sich zudem über eine Rebstock Pacht das Recht an einer der begehrten Flaschen sichern.
Beach Chair at Westerland, Sylt, Germany
Copyright by Wikipedia/Magnus Manske

Dass es hier auf Sylt überhaupt Weinberge geben darf, liegt einer Neuordnung der Pflanzungsrechte zugrunde, welche im Jahr 2009 sicherte, dass sich auch Bundesländer ohne eigene Rebflächen die Pflanzungsrechte von Weinbaugbieten quasi „abkaufen“ konnten. So erhielt Schleswig-Holstein den Zuschlag über eine Fläche von etwa 10 Hektar, um hier Schleswig-Holsteinischen Landwein zu produzieren. Wer weiß was in Zukunft alles möglich ist: Rotweine von den ehemaligen Kohlehalden im Ruhrgebiet, Sekt aus dem Wattenmeer oder Weißwein aus dem bayerischen Wald, wir sind gespannt wo sich der Weinbau hin bewegt!